Dienstag, 15. September 2015

Der „Sheriffstern“


Kennt ihr eigentlich den „Sheriffstern“?
Nein? Dann habt ihr wirklich Glück gehabt. Ich kannte ihn bis heute auch nicht. Jedenfalls nicht unter dieser Bezeichnung.

Meine Nachbarin, die dem fröhlichen Folter-Spektakel heute Vormittag
 zufällig beiwohnen durfte, klärte mich auf, dass das eine – unter (Schweizer?) Männern gängige „Geste“, ähnlich der mir bekannten „Brennnessel“ ist, um sich entweder gegenseitig zu dissen (seiner Missgunst handgreiflich Ausdruck zu verleihen) oder einfach mal unverbindlich zu testen, wieviel der andere so aushält, aka ob er ein ganzer Kerl ist.

Ich musste in den vergangenen zwei Wochen also eine neue, schmerzhafte, Methode kennenlernen, wie MZ 1 wahlweise meine Aufmerksamkeit erhaschen oder mich für etwas „bestrafen“ kann, was für sie in irgendeiner Weise unbefriedigend abgelaufen ist.

Möchte man den „Sheriffstern“ nach Art meines (1 Minute älteren) Zwillingsmädchens MZ1 korrekt ausführen, braucht man zunächst: Ein Opfer.

Frauen bieten sich als Opfer besonders an, da ihre Brüste „handlicher“ und schmerzempfindlicher sind, als die von Männern.

Mütter sind die bevorzugten Frauen der Wahl, weil die bedingungslose Liebe zu ihrem Kind sie höchstwahrscheinlich (hoffentlich) davon abhalten wird, dasselbe (Kind) im Affekt ungespitzt in den Boden zu rammen bzw. an die Wand zu klatschen.

Nun wartet man auf einen guten Moment, in dem einem das Opfer sowohl möglichst abgelenkt, als auch wehrlos, frontal zugewandt steht.

Zum Beispiel mit einem Liter Milch in der einen und einem Blumenkohl in der Hand (Objekte beliebig ersetzbar), vor dem - mit Kind befüllten - Einkaufswagen stehend (Situation ebenfalls austauschbar) Samstagnachmittag (Wochentag spielt keine Rolle) bei Aldi (Discounter frei wählbar) in der Kassenschlange.

Dann fährt man die „Greif-Hand“ (also am besten die, in der man mehr Kraft hat – demnach meist die Rechte) unvermittelt aus (so ähnlich wie bei diesen Zangen-Greifern, die auf Knopfdruck unschuldige Plüschtiere aus dem Glaskasten fischen) und zielt auf die Mitte der Brust des Opfers.

Jetzt „Eisenfaust“ machen, sprich so fest wie möglich zupacken und mit wutverzerrtem, irrem Blick einmal kräftig im Uhrzeigersinn drehen.

Beim Drehen gegen den Uhrzeigersinn wird übrigens die gleiche Wirkung erzielt.

Das tut sooo SCHEISSE weh, kann ich euch sagen!!!

Gottseidank weiß MZ 1 aus Erfahrung, dass die Mama bei dieser Übung immer vor Schmerz wie vom Affen gebissen losbrüllt und hält die Streichel-Hand (also eventuell die linke, eben die Nicht-Greifhand) schon bereit, um der Mutter auf der Stelle beschwichtigend zweimal übers Haar zu streichen.

Scheint das Opfer durch das tröstende Kopf-Getätschel und den nachlassenden Schmerz in der Brust wieder halbwegs beschwichtigt und versöhnt (und die durch den Schrei angelockten Gaffer im Supermarkt haben sich langsam wieder in alle Richtungen verlaufen), kann man das Manöver erneut starten.
Augenblick abwarten, in dem sich das gutgläubige Opfer, nichts Böses ahnend, leichtsinnig in Position begibt,… Usw.

Gute Gelegenheiten ergeben sich auch beim Anziehen  auf dem Wickeltisch (vor der stehenden Mama sitzend) oder wenn die Mutter auf der Couch faul und unnütz vor sich hindöst.

Abwandlungen bzw. abgeschwächte Formen des Sheriffsterns sind übrigens „Die Daumenschraube“ und „Der Nagelknipser“, beides Spezialitäten von Mäusezähnchen 2, die sie gerne beim Milch trinken und Einschlafen (sprich Händchenhalten) einsetzt.

Dienstag, 8. September 2015

DAGEGEN!!!

(oder: Das pubertierende Kleinkind)

Ich trotze, also BIN ich.

Das ist sie also, die Entwicklung des ICH, die Geburt des EGOs, die Entdeckung der Eigenständigkeit.

Himmel, hilf! Was ist mit den beiden besten Mädchen der Welt nur geschehen?

Quasi über Nacht haben sie eine 180-Grad-Wende hingelegt, wurden von kleinen
Dr. Jekylls zu großen Mr. Hydes, von herzallerliebsten Sonnenscheinchen zu dunklen Gewitterwolken.

Warum ihr so lange nicht von den Mäusezähnchen gelesen habt?


Sagen wir mal so: Mama war beschäftigt…
Die Mama vom doppelten Mäusezähnchen, welches zu diesem Zeitpunkt
  ca 18 Monate jung war, hatte unter anderem einiges mit fliegenden Tellern, Tassen und Blumenvasen am Hut.

Auch Schuhregale wurden mehrmals täglich (genaugenommen exakt so oft, wie Mama auf Toilette musste) - freundlicherweise nach erst einem vierfäustig geklopften Verwarnungs-Countdown an die Tür des stillen Örtchens – vor die selbige Tür umgekippt.

Die Eifersucht auf die jeweilige Zwillingsschwester  tobte den ganzen Tag und der Platz auf Mamas Schoß wurde ohne Rücksicht auf Verluste im teils blutigen Kampf erobert.

Mama wünschte sich die schalldichten Baustellen-Ohrschützer zurück, die sie in einem früheren Leben mit Bürojob einst gegen den unverschämt fröhlich pfeifenden und singenden Arbeitskollegen zum Einsatz gebracht hatte. Das stundenlange zornige Kreischen der kleinen Diven raubte ihr mehr als einmal beinahe den Verstand.

Zum ersten Mal betete die Mama um eine Ganztagsbetreuung für die Mäusezähnchen und sehnte sich danach, das Haus jeden Morgen um 8.00 Uhr verlassen zu dürfen und erst wieder nach 18.00 Uhr heimkehren zu müssen.

Und abends schämte sie sich dann für ihre Gedanken und ihre Gewissensbisse ließen sie kein Auge zukriegen und sie schwor sich, am nächsten Tag NOCH mehr Verständnis und NOCH mehr Geduld und NOCH mehr Liebe für ihre kleinen Teufelchen aufzubringen. Immerhin hatten auch sie es nicht leicht mit dem, was da in ihrer Entwicklung vonstattenging und mit den Kurzschlüssen und Feuerwerken, die ihr reifendes Gehirn so fabrizierte.

Am nächsten Morgen erkannte die Mama sich nicht mehr im Spiegel. Irgendwer hatte zwei dicke schwarze Balken unter ihre Augen gemalt. Die ließen sich weder mit Seife, noch mit Make-up-Entferner beseitigen und auch nicht mehr überschminken. Es war passiert. Die Mama war endgültig zum Zombie mutiert.

Also schleppte der Mombie (einst Mama, jetzt Zombie) sich ins Kinderzimmer, um wenigstens heute einen neuen, besseren Tag zu beginnen. 30 Minuten und 10 Wutausbrüche von MZ1 und MZ2 später, hatten sie ihr Mut und die Motivation allerdings wieder verlassen und ihre Devise für die folgenden 12 Stunden lautete:
"Überleben und überleben lassen."

Die Mama zog mal in ihrer Frustration wieder einen ihrer verhassten, angestaubten Ratgeber zu Rate – ich schrieb bereits ausführlich über dieses Thema – und informierte sich über Tatsachen, die sowieso nichts Neues waren.

Da fielen Formulierungen wie „Grenzen ausloten“, „Provokation“, „Machtstreben“, „Kontrolle über den eigenen Körper ausüben“, „eigenständige Entscheidungen treffen“, „Entdeckung und Durchsetzung des eigenen Willens“,…

Und wie jedes Mal, wenn die Mama sich hilfesuchend an die selbsternannten Experten der Pädagogik wandte, bekam sie nur schillernde Umschreibungen für ihr Problem und dessen Ursachen, nicht jedoch den kleinsten Hinweis darauf, wie sie diese Hölle auf unbestimmte Zeit noch weiter ertragen oder zumindest für alle Beteiligten erträglicher gestalten könnte. Danke auch!

Gottseidank – GOTT SEI DANK – verschwand der Spuk nach etwa drei Wochen (den längsten drei Wochen in der Geschichte der Zeit) genauso plötzlich, wie er gekommen war.  
Allerdings nicht ohne, dass bereits das Schwiegervater-Rettungskommando (mit viel zu großer Verzögerung!!!) herbeordert worden war.

Mit dem Ergebnis, dass der Nonno mehrmals täglich beteuerte, wie brav und lieb die Mäusezähnchen doch wären. (Worauf hin die Mama sich selbst am liebsten in den A... (Arm) gebissen hätte, weil sie diese Aussage als Provokation empfand, stand sie doch jetzt wie eine Lügnerin da).

Zwei Dinge haben wir aus dieser höchst anstrengenden und nervenzehrenden Phase allerdings für uns mitnehmen können:

1. Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter. (Mama)
2. Das klangvolle Wort „Scheissssssssssssssssssssssse“ (Mäusezähnchen 2)