Montag, 27. April 2015

Wer die Wahl hat…


Wer die Wahl hat, lernt, was es bedeutet, Entscheidungsschwierigkeiten zu bekommen. Keine leichte Sache ist das.
So geschehen heute Morgen. Mäusezähnchen 2 bekommt die Schale mit der gereinigten Nuggi-Kollektion vom Vorabend (Mama geht nachts immer sammeln, bei uns wachsen die nämlich bevorzugt unterm Sofa, wo es immer schön schattig ist) unter die Nase gehalten, schnappt sich den Erstbesten, steckt ihn – wie immer – verkehrt herum in den Mund (Nuggi verkehrt rum erinnert mich optisch - so mit vorgestülpter Unterlippe dann unumgänglich an einen Frischling, also ein Wildschwein-Baby, weiß auch nicht wieso…) und macht sich wie jeden Morgen emsig ans Regale leeren.

So wie wir morgens im Büro zunächst das Postfach von Spam befreien, muss sie nämlich morgens erstmal Klarschiff in allen Regalen und Kisten haben.


Mäusezähnchen 1 (wir erinnern uns, 1 Minute älter, 1,5 cm größer und viel gewissenhafter) ist an der Reihe.  Sie betrachtet die Zusammenstellung eingehend. Sie hebt die rechte Hand einmal behutsam über die Schüssel, als würde sie so den Gummisauger mit den besten „Vibrations“ erfühlen können. Spürt nach. Sie zieht die Hand zurück. Sie überlegt erneut.

Man hört es förmlich rattern in ihrem kleinen, schlauen Köpfchen. Sie kreist nun mit der linken Hand über der Schüssel (der Papa, der die Schüssel hält, hat mittlerweile die zweite Tram in die Arbeit verpasst, die ihn noch zu einer akzeptablen Uhrzeit hätte dorthin befördern können). Fast wie ein Adler über der Kaninchenwiese, der nur den passenden Moment abwartet, um dann plötzlich hinunter zu sausen und zuzupacken, kreist sie. Angespannt.
Aber nein: Auch die Linke wird wieder zurückgezogen. Ist etwa kein zum Wochentag, T-Shirt oder der aktuellen Stimmungslage passender Schnuller in der Schale? Oder ist sie schlicht überfordert mit so einer großen Auswahl? Sie orakelt weiter. Hochkonzentriert…
Schließlich (eeeendlich!) setzt sie an. Greift mit beiden Händen gleichzeitig in den Teller, schiebt sich einen schönen Nuggi-Haufen (alle, sicher mindestens 10 Teile fassend) zusammen und schöpft ihn sich komplett in den Schoß. Glücklich!
Es kann so einfach sein!
Man muss nicht immer alles verstehen, was die lieben Kleinen so treiben.
Sie sind intelligent. Keine Frage. Alles im Prinzip schon soweit vorhanden. Auch wenn die Hirnstrukturen sich von unseren (hier spricht die müdigkeits-demente Bache, die Mutter der Frischlinge) noch gravierend unterscheiden, einfach weil sie noch nicht so ausgereift sind. Hierzu fehlen noch die (wiederkehrenden) Erfahrungen, das Lernen.
Aber dumm sind sie nicht. Im Gegenteil! Einzig und allein fehlt oft ein adäquates Verständigungsmittel. Ich habe gelesen, dass es Bücher und Kurse (und dementsprechend wohl auch Eltern) gibt, die Babys/Kleinkindern eine spezielle Zeichensprache beibringen).
Diese Zeichensprache umfasst scheinbar Gebärden für wichtige Tätigkeiten und Befindlichkeiten (wie z.B. Spazierengehen, schlafen, Hunger haben, durstig sein, spielen, sich anziehen, sich baden, usw.) und der physiologisch hochkomplexe Umweg über Zunge, Lippen, Kehlkopf, Stimmbänder und Co, was eben alles so zur Formung erwachsenen-gängiger Konversation benötigt wird, wird auf diese Art umgangen.
Langer Rede, kurzer Sinn - pseudowissenschaftliches Geschwafel Ende.
Ich würde allzu gerne MZ 1 oder MZ 2 ab und zu einfach mal fragen können:
„Sag mal, was in aller Welt tust du denn da eigentlich?“
(Womit wir doch wieder zu meinen Halbweisheiten zum Thema Wissenschaft zurückkehren. Warum gibt es zwar japanische Übersetzungsroboter für Hundegebell, nicht aber für Kleinkind-Gebrabbel? Oder hab ich da schlichtweg die entsprechende Galileo-Folge verpasst? Egal, wäre dann ja eh bloß auf Japanisch.)
Immerhin habe ich fast drei Tage intensiven Kleinkindstudiums benötigt, um zu verstehen, warum MZ 1 neuerdings immer rückwärts auf den Balkon, ins Schlafzimmer und in den Sandkasten steigt. Sie krabbelt zielstrebig auf die Schwelle zu, dreht sich ca. 30 cm vorm Übergang ins andere Zimmer/zum anderen Bodenbelag 180 Grad um die eigene Achse und stößt dann auf diese Weise in die fremden Gefilde vor. Was habe ICH mir den Kopf zerbrochen, was nur in diesem (meinem) Kind vorgehen mag! Lösung: Easy.
Hätte ich mein kleines Wundermädchen doch nur fragen können, was es da tut! Ob es sich vielleicht um eine Art Aberglauben handelt oder religiös und kulturell bedingt ist. Ich meine - in Thailand beispielsweise ist es höchst respektlos und verwerflich auf die Türschwelle zu treten. Die Geister, die das Haus/die Wohnung bewachen, halten sich dort auf. Man hat vorsichtig über sie hinweg zu steigen.
Was weiß ich schon, was mein Kind weiß, wovon ich wiederum nichts wissen kann?
Nun ja, gefragt hab ich mein Schätzchen. Lediglich Antwort habe ich nicht erhalten. Und hätte ich eine bekommen, hätte ich diese nicht verstanden. Hätte ich also auch noch den japanischen Baby-Übersetzungsroboter gebraucht und des Japanischen halbwegs mächtig sein müssen. Seufz. Es ist so umständlich und kompliziert. (Fast so umständlich, wie es sein muss, sich immer erst umzudrehen, bevor man von einem Zimmer ins nächste wechseln kann.)
Gottseidank (denn andernfalls würde ich heute noch über des Rätsels Lösung grübeln) ist dann der Groschen irgendwann gefallen. Bei mir. Die Auflösung ist so simpel wie raffiniert. Geradezu genial. Die Oma (die in einem Haus wohnt, nicht wie wir in einer Wohnung) hatte mit MZ 1 (und MZ 2, die sich zu dieser Zeit aber noch als beratungsresistent in der Hinsicht gezeigt hatte) eine Woche zuvor intensiv geübt, wie man sicher Treppenstufen vom einen in das andere Zimmer hinunterkrabbelt und zwar „ärschlings“. Aha!
Und das Gehirn von Mäusezähnchen 1 (und dies nennt sich „Transfer-Leistung) hat hier eine an- und für sich völlig logische Verbindung hergestellt. Zimmerverlassen bedeutet umdrehen. Sicherheitshalber. Ob die Schwelle nun, wie bei Oma und Opa im Haus, aus zwei Stufen zu je 15 cm Höhe besteht oder wie bei uns zum Schlafzimmer höchstens 1 cm beträgt – das spielt noch keine Rolle. Gelernt ist gelernt. Das Warum und Wozu kommt erst nach und nach. Mit der Erfahrung dann. Faszinierend!
Übrigens hat der Papa von MZ 1 und MZ 2 eine ähnlich „andere“ Logik. Eine Männerlogik. Wenn z.B. unsere Haushaltshilfe die Schlafanzughosen von den Mädels versehentlich in das „Leggins- und Jogginghosen-Fach“ im Kleiderschrank einräumt (weil sie anders als der Papa, die Mädchen noch nie abends im Schlafanzug gesehen hat), dann zieht der Papa den Mädchen morgens die Schlafanzughose AN.

Also die eine Schlafanzughose von nachts AUS und die andere frische Schlafanzughose aus dem Schrank AN. Und wenn ich dann verdutzt frage, warum das Kind heute tagsüber in Schlafanzughose herumläuft (er ist zumindest theoretisch in der Lage, sich mit mir auf demselben Kommunikationsweg zu verständigen), sagt er: „Ich hab mich schon gewundert, was die Schlafanzughose da im falschen Schrankfach macht.“ Clever, der Mann. Aber eben leider auch nur theoretisch.

 

Freitag, 24. April 2015

Ich möchte keine gute Mutter sein


Ich möchte keine gute Mutter sein, wenn das bedeutet, dass ich mich im kontinuierlichen Wettstreit mit den anderen Müttern befinde und mich täglich
aufs Neue messen(lassen) und beweisen muss.

Gerne verzichte ich darauf, eine Vorzeige-Mutter zu sein, wenn ich der übermächtigen Liebe zu meinen Kindern nur in Form einer fünfstöckigen Eisprinzessinnen-Torten-Sonderanfertigung vom besten Konditor der Stadt (noch nicht mal selbst gemacht) Ausdruck verleihen kann.

(Dies führt meines Erachtens sowieso nur dazu, dass sich die anderen Mütter schäbig fühlen, weil sie ihr Kind nicht "fünf Kilo Marzipanmasse stark" lieben und dass einen im Gegenzug niemand mehr zu sich einladen möchte, bei dem einfach nur ein liebevoll mit Gummibärchen und Smarties verzierter Marmorkuchen auf dem Tisch steht.)

Es ist mir egal, keine gute Mutter zu sein, wenn diese zwar seitenweise aus der modernen Erziehungsratgeber-Kultur zitieren kann (und zitiert), ihre weibliche und mütterliche Intuition aber auf halber Strecke verloren hat.

Ich bin gerne eine schlechte Mutter, wenn das bedeutet, dass mein Kind auch zwei Nächte in Folge bei mir unter die Decke kriechen darf weil es Angst hat oder Grippe (oder etwas, was ich nicht verstehe) und ich nicht um jeden Preis meinen Prinzipien verteidigen muss.

Mir sind die guten Mütter unsympathisch, wenn sie sich gezwungen fühlen, das Haus standesgemäß nur mit einem Bugaboo verlassen zu können, anstatt auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten ihrer Familie einzugehen.

Ich bin keine gute Mutter und werde auch nie eine werden, wenn das impliziert, dass ich jeden Tag wie aus dem Ei gepellt (inklusive Make-Up, „Frisur“, „Fingernägeln“, neuer Garderobe und keinem verbliebenen Kilo zu viel auf den Rippen) vor meine Mitmenschen treten soll.

(Meiner Überzeugung nach gilt es Prioritäten zu setzen und wer sich dauerhaft auf den „Laufstegen“ in dieser Welt präsentiert, ist entweder eine beneidenswerte Naturschönheit oder muss die nötige Zeit an anderer Stelle abziehen.)

Ich bin stolz darauf, keine gute Mutter zu sein, wenn die Qualität meiner/unserer Kindererziehung danach bemessen wird, wie viele Fremdsprachen die Kleinen bereits in der Krippe lernen.

Ich will absolut keine gute Mutter sein, wenn das damit gleichzusetzen ist, dass ich meinen Kindern nur mit positiven Emotionen begegnen darf und Wut, Schmerz, Trauer und Angst verstecken muss.

Ich werde meinen Kindern kein „Heile-Welt-Gefühl“ vermitteln, wenn sie doch spüren, dass ich nicht authentisch dabei bin und wenn sie die vorgespielte „Heile Welt“ dann ein halbes Leben lang vergebens in der Realität suchen werden. Verzweifelt. Und sie werden danach suchen...

Ich lehne es ab, eine gute Mutter zu sein, wenn das inkludiert, dass meine Kinder mit drei Jahren schon den Terminplan eines Topmanagers haben müssen, um mit den Spielkameraden mithalten zu können.

Ich verachte die guten Mütter, bei denen sich die Spielplatz-Gespräche nur um die Fähigkeiten und Fortschritte ihrer Sprösslinge drehen. Gleichzeitig tun sie mir sehr leid. Es ist kein schönes Gefühl, ständig unter Zugzwang und Leistungsdruck zu stehen, beobachtet und beurteilt zu werden und gleichzeitig auch noch selbst in der härtesten Jury der Welt zu sitzen.

Ich scheiße darauf eine gute Mutter zu sein, wenn mein Kind dafür, noch bevor es eingeschult wird, drei handfeste (und schicksalsdefinierende) Mode-Diagnosen wie AD(H)S, Asperger, frühkindliche Bindungsstörung oder Neurodermitis braucht, nur damit die Mutter etwas zu problematisieren und zu erzählen hat. 

Ich distanziere mich ausdrücklich davon, mich über tatsächliche gesundheitliche Probleme „lustig“ machen zu wollen – ich habe riesigen Respekt und größtes Mitgefühl vor den und für die wirklich von Krankheit betroffenen Familien!

Es geht mir lediglich darum, dass man in zahlreichen Fällen zunächst auch einfach mal schlicht wahrnehmen, akzeptieren und berücksichtigen kann, dass das Kind gerne alleine spielt, einen etwas größeren Bewegungsdrang verspürt oder sensible Haut hat, OHNE gleich den Teufel an die Wand zu therapieren.

Ich bin nicht gern eine gute Mutter, wenn das heißt, dass ich meinem Kind nichts zutrauen kann und es nichts ausprobieren lassen darf wobei es sich verletzen oder erschrecken könnte, weil das sofort das Getuschel der besseren guten Mütter hinter meinem Rücken in Gang setzt, die sich darüber mokieren, dass ich wahlweise kein Verantwortungsbewusstsein habe oder völlig überfordert bin mit den Zwillingen.
Ich gebe gerne zu, eine schlechte Mutter zu sein, weil ich mich weigere, meine Kinder von vornherein (und ohne triftigen gesundheitlichen Grund) gluten-, lactose, - zucker, - und geschmacksfrei zu ernähren und ihnen somit jede Neugier, jede kulinarische Vielfalt und jeden Genuss strikt versage.

(Oft geht die allzu "gesunde", eingeschränkte Ernährungsweise ja sowieso übel nach hinten los, die Kinder bekommen eine unstillbare Gier nach dem "Verbotenen" und entwickeln eine regelrechte Essstörung, sobald sie nur endlich selbst über ihren Konsum bestimmen können.)

Ich pfeife darauf, eine gute Mutter zu sein, wenn ich dadurch meiner Umwelt kontinuierlich Rechenschaft schuldig bin darüber, was ich mit den Kindern unternehme, wie ich sie fordere und fördere und welche Fortschritte sie machen. Wenn ein auf der Couch oder im Spielzelt „verkuschelter“ Tag verlorene Zeit bedeutet und nur als Faulheit und Motivationslosigkeit meinerseits gewertet wird. („Die armen Kinder!“)

Ich bin sehr ungern eine gute Mutter, wenn ich am Spielplatz dafür sorgen muss, dass meine Kinder, die ihnen „zugeteilten“ zwei Quadratmeter zu keiner Zeit verlassen und um keinen Preis das Spielzeug der anderen Kinder oder gar diese selbst berühren!

Ich weiß nicht, ob es landestypisch ist, ob ich einfach nur Pech habe bei unseren Begegnungen oder viel zu romantische Vorstellungen in meinem Kopf herumgeistern. Jedenfalls finde ich es jammerschade und so wahnsinnig traurig für die Kinder.

„Geht ihr alle nur zum Spielplatz weil ihr zu Hause keinen Sand oder keine Schaukel habt?“, denke ich mir regelmäßig. Und weiß nicht, wie ich den Kindern meine Werte in diesem Umfeld vermitteln soll.
Wir lassen jeden mitspielen, wir lassen jeden etwas ausleihen (obwohl wir es meist nie wieder sehen), wir suchen Kontakt, wir lernen zu teilen,…

Und zudem: wenn man tauscht, hat man IMMER was Neues und Interessantes, was einen inspiriert… (Vielleicht muss ich mit meiner Einstellung in eine Kommune ziehen, scheint weltfremd zu sein. Wirklich schade.)

Ich würde mich dafür hassen, eine gute Mutter zu sein, wenn ich meine Kinder wegen ihrer Markenklamotten und -schuhe nicht planschen, klettern, kleckern, matschen und mantschen lassen könnte. Entweder - oder. Kinder oder sauber. Spaß und Entfaltung oder gestörtes Verhältnis zu „Schmutz“, „Körper“ & Co.

Ich möchte keine gute Mutter sein, wenn von mir verlangt wird, dass ich mich wegen meines ausgeleierten Bauches, meiner Geweberisse, meine Narbe und meines Gewichtes schämen und verstecken soll. Immerhin sind hier – in mir – die bezauberndsten kleinen Wesen der Welt herangewachsen! Ein doppeltes Wunder!

Die Messlatte: „9 Monate rauf, 9 Monate runter“ wurde vielleicht von Supermüttern so hoch gelegt. (Ich respektiere und bewundere das, obwohl ich in meinem Fall „7 Monate rauf, 14 Monate nichts runter“ nur davon träumen kann, in der angeblich „angemessenen“ Zeit wieder in Form gekommen zu sein.)

Und das, ohne irgendetwas oder irgendjemanden dabei zu kurz kommen zu lassen?  Nicht einmal sich selbst? Völlig Ironie-frei sage ich: Respekt!!! Ich schaffe das bislang nicht. (Und Zwillinge zu haben ist keine Ausrede)

Ich werde einmal genau wissen, dass ich eine schlechte Mutter gewesen bin, wenn ich mich – sobald meine Kinder erwachsen und aus dem Haus sind – selbst fragen muss, wo die gemeinsame innige und intensive Zeit geblieben ist, weil ich mich nicht daran erinnern kann, dass wir sie erlebt haben. Weil ich mich vielleicht dem Druck der Gesellschaft zu sehr gebeugt habe und deshalb mehr im "Außen" und für das „Außen“ gelebt habe, als meine Kinder in vollen Zügen zu genießen und Kind sein zu lassen.

Das wäre mit Abstand das Schlimmste!
Ich möchte keine gute Mutter sein, wenn ich vor lauter „Gute Mutter Sein“ zu sehr damit beschäftigt bin, eine gute Mutter zu sein.





Mäusezähnchen 1 und Mäusezähnchen 2 – ich liebe euch über alles in der ganzen Welt, im ganzen Universum und weit darüber hinaus. Ihr seid das Beste und Wunderbarste, was mir jemals hätte passieren können! Und obwohl ich so weit davon entfernt bin, eine perfekte Mutter zu sein, habt ihr mich ausgewählt. In tiefer Dankbarkeit und Liebe, eure Mama.

Donnerstag, 23. April 2015

An Tagen wie diesem

An Tagen wie diesem wünschte ich mir eine Armee aus Leih-Omas, die nichts lieber täten, als mir die (B)Engelchen mal für ein oder zwei Stunden abzunehmen.  Da wünschte ich mir Nerven aus Dental-Floss, so dick und stabil. Und wie sehr wünschte ich mir, dass alle meine Sinne auf Kurzarbeit wären, damit sie nicht so viel ertragen müssten.

An Tagen wie diesen, verlassen die kleinen verschnupften Lieblingsmonster ihr kuscheliges Nest bereits um 4.30 Uhr mit der „Begründung“, dass man ja beim besten Willen nicht schlafen kann, wenn das Kinderzimmer nach Dönerbude duftet. (zur Erklärung: Gehackte Zwiebeln sollen die Schleimhäute abschwellen lassen)

Also  wird der Notruf übers Babyphone abgesetzt und die Mama-Spedition kommt im Dunkeln in die Dönerbude gestolpert, schnappt Mäusezähnchen 1 („Puhhh, wie das duftet“) und liefert das pikante „Schmankerl“ beim selig schlummernden Papa ab.

Nachdem die Beschwerde-Hotline immer noch rot blinkt, sodann ein zweiter Gang – die Mama kriegt heut auch noch einen Übernachtungsgast, der nach Schweinsbraten riecht. (Die Mama mag keinen Schweinsbraten und keinen Döner und Übernachtungsgäste mag sie nur, wenn diese wirklich tief und fest schlafen.)

Leider hat die Mama  im Baby-Lotto heute den Hauptpreis gezogen und das „ausgeschlafene“ Kind erwischt. Bedeutet noch knapp 3h Wellness für mich.
(Die Mäusezähnchen MZ 1 & 2 sind nämlich Experten in Gesichtsbehandlung, Ganzkörpermassage und Hair Styling.)

Ich liebe es, wenn mir im Halbschlaf (wenn ich vor Müdigkeit so bleiern bin, dass ich mich nicht rühren, geschweige denn wehren kann) die Haare gezupft werden bis ich vereinzelt kahle Stellen habe, in der Nase oder am Zahnfleisch gekratzt (jawohl gekratzt, Zahnstein-Behandlung) wird bis mir die Tränen kommen, mit Tritten zwischen die Rippen sämtliche Akkupressur-Punkte stimuliert werden und nebenbei noch in einer Tour über die schlechten Arbeitsbedingungen abgelästert wird.

An Tagen wie diesem starte ich also frisch erholt und bestens gelaunt in den Tag, an dem ich mein Mutterherz ganze 12 h lang exklusiv an den Sonnenscheinchen wärmen darf.

Als Erstes stimmt was mit der Frühstücks-Schüssel nicht. Oder ist es der Inhalt, der MZ 2 nicht genehm ist? Jedenfalls wird das Teil einer solchen Wut und Wucht auf den Boden geschleudert –Mama schafft es in letzter Sekunde noch hinter der Küchentür in Deckung zu gehen - dass das dickwandige Melamin-Kindergeschirr (seit drei Tagen in Gebrauch, Garantie 3 Jahre?) zerspringt.

Ich möchte betonen, dass es nicht eines der zahlreichen Exemplare von „Rudis Resterampe“ war (die wir ebenfalls besitzen), sondern ein überteuertes Markenqualitäts-Produkt. Geschenk zur Geburt. Doppelt also. Doppelt gewesen zumindest. (Was man überhaupt  alles so zur Geburt bekommt! Lego, Leggins, Geschirr, Wein, Postkarten,… ) Sprung in der Schüssel. Reif für die Tonne.
(So wie die Mama also, ich muss über den Analogismus schmunzeln - soviel Humor ist noch übrig. Noch.)

Als nächstes strömt ein nie dagewesener grausamer Geruch in meine Nase. Das ganze Wohnzimmer riecht so, wie ich es mir olfaktorisch gesehen (bzw. gerochen) in den lustigen grünen Mülleimern mit den roten Beutelchen an den Hundewiesen vorstelle. Es haut mich fast um. Ehrlich. Ich schnappe mir MZ 1 und halte mir das Pampers-Paket zum Geruchstest vors Gesicht. Hm, naja – lieber mal wickeln gehen.

Das Ergebnis ist enttäuschend mickrig und als ich mit MZ 1 unterm Arm ins Wohnzimmer zurückkehre, wabert die Luft schon wie in der Wüste. So stelle ich mir eine Fata Morgana  vor und es ist nicht gänzlich auszuschließen, dass ich demnächst beginne, zu halluzinieren. Also wird MZ 2 mit den Fingerspitzen (möglichst wenig Körperkontakt) auf den Wickeltisch verfrachtet.

Heilige Mutter Gottes. Ich kündige! So etwas hab ich in den ganzen 14 Monaten nicht gesehen. Wozu trägt das Kind überhaupt eine Windel? Und wie soll ich es um alles in der Welt ausziehen ohne die Sache noch viel schlimmer zu machen? Und warum um Himmelswillen ist da ein ganzes Paket Rosinen (unzerkaut und unverdaut) beigemischt?

Beim Versuch, das arme Kind zu entkleiden, ohne die nähere Umgebung und mich selbst allzu schlimm zu kontaminieren scheitere ich kläglich. MZ 1 ist mittlerweile auch am Start um zu sehen, was  es hier zu fluchen gibt und gibt seinen übellaunigen Senf dazu, weil es nicht einsieht, warum es nicht mitsamt MZ 2, dessen gesamter verseuchter Kleidung, der Wickelauflage und der halben Mama mit in die Wanne darf.

MZ 2 hingegen hätte gerne verzichtet und verkündet das lautstark während ich versuche, das „Gröbste“ abzubrausen. Himmel hilf! Es stinkt so furchtbar und zu allem Überfluss macht sich MZ 1 jetzt ans Verwischen der übelriechenden Spuren. Ich dreh durch. Ich dreh einfach durch. Es ist noch nicht mal 10.00 Uhr morgens, kein Knoppers in Sicht und ich kann bereits nicht mehr. Ich bin noch im Schlafanzug, will mich endlich waschen, meinen Kaffee, mal ein Minütchen hinsetzen/-legen. Keine Chance. Wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was.“ Wir sind hier bei „So isses!“ Friss oder stirb. Just deal with it.

Nun fliegt das bereitgelegte Badetuch in die Brühe in der Wanne. Bravo.
MZ 1 hat mir also noch nicht verziehen. Die Nasendusche, eine Packung feuchtes Toilettenpapier und ein paar Slip Einlagen hinterher. Man gönnt sich ja sonst nichts…

Ja, ihr werdet fragen, was MZ 1 überhaupt im Bad zu suchen hat? Sie könnte doch brav in ihrem Zimmer/in der Küche/im Wohnzimmer/auf dem Balkon spielen? Ja. Könnte. Wäre. Würde. Hätte. Hätte, hätte – Fahrradkette. Sie ist ja nicht doof. Sie hat mitbekommen, dass hier was los ist und will ihrer Schwester seelischen und handfesten Beistand leisten.

Müsste sie vor der Türe warten, würde sie diese mit dem Kopf (im Ernst!) einschlagen und das Haus dermaßen zusammenbrüllen, dass ich in Nullkommanix  die Polizei vor der Tür stehen hätte. Und – ihr erinnert euch – ich bin im Nachthemd und überhaupt momentan recht wenig ansehnlich (freundlich formuliert). Apropos – mal wieder ein Paket verpasst – just in dem Moment!!! Der Postbote klingelt ungeduldig drei (!) Mal und ich beide Hände in der Sch**** und verschwitzt und total am Ende und im Nachthemd.

Da wird sich mein Mann abends wieder freuen. Warum ich denn nicht mal seine Post (ihr wisst, was drin ist – erinnert ihr euch?) annehmen kann, wenn ich doch zu Hause bin. Tja, Pech gehabt. Kann´s nicht ändern. Können ja mal tauschen. Dann bestell ich bergeweise Schrott (das kann ich gut, hab nur selten das nötige Kleingeld dafür auf der Seite), lass ihn mit den beiden wundervollen Zuckerpuppen den ganzen Tag allein und geh´ auf die Barrikaden, wenn er auch nur ein einziges formschönes Küchengerät aus „die moderne Hausfrau“ oder die ultimativen Diät-Wunderpillen aus dem Teleshopping und die Gucci-Tasche aus China für mich verpasst. Dann sieht er mal! So.

MZ 2 ist soweit fertig und kann herausgefischt werden. MZ 1 hab ich immer wieder gerade noch zurückhalten können, sie hatte tatsächlich mit samt Kleidung einen Kopfsprung ins zweifelhafte trübe Wasser geplant. Die Irre. (Das meine ich liebevoll, das wisst ihr sicher…)

Ich rubble also das arme frierende Mäuschen trocken, während die große Schwester (ihr erinnert euch – immerhin eine Minute älter und bereits 1,5 cm größer) zum dritten Mal die komplette Klopapierrolle abwickelt. Immerhin drehen jetzt schon zwei hier am Rad. Ich werde echt gleich so stinkig hier! Ja, ich kann das auch. Nur hat man danach nicht 2 Waschmaschinen zu versorgen.

Während ich mit einölen und wickeln der kleinen Schwester zugange bin, werde ich – mal wieder – von MZ 1 „gestylt“- Gekämmt. Mit einem (meinem) massiven Plastikkamm. Und zwar so zärtlich (dummerweise trage ich die Haare immer noch zu meinem „Nacht-Zopf“, nein – NICHT Nachttopf – geflochten), dass ORIGINAL der dickste der Zinken dabei abbricht. Ohne Spaß. Mir bleibt echt nichts erspart.
Der Tag läuft dann ungefähr so weiter wie gehabt. Während ich mich mit der Dreckwäsche im Waschraum verlustiere, wird im Flur inzwischen „umgetopft“. Als ich die Wäsche zum Trocknen bringen will, wird damit das gesamte Treppenhaus feucht aufgenommen.

Beim Mittagessen geht ein Spätzle-Regen auf mich nieder – „Na, schmeckt´s euch?“. Und als ich mich daran mache, die Teigwaren wieder vom Boden unter den Hochstühlchen aufzusammeln, bekomme ich erst eine fast volle Wasserflasche auf den Kopf (so viele Sternchen am helllichten Tage – wie schön) und dann ordentlich Haue mit dem Schneebesen und viel Gelächter von beiden Seiten.
 
Am Spielplatz dann wird uns unser Sandspielzeug von einem Haufen süßer und aufgeweckter kleiner Fratzen (die wohl wissen, dass ich nicht hinterher kann) in alle Himmelsrichtungen getragen und dadurch wieder deutlich reduziert (Gut, dass der Papa so gerne in China einkauft) und am Rückweg lasse ich mich von der mittlerweile total übermüdeten Mäusepolizei durch Wut-Kreischen erpressen.

Ich hasse das, wenn ich meinen wenigen Erziehungs-Grundsätzen nicht treu bleiben kann. Aber ich hab heute echt keine Nerven mehr. „Ich tue ALLES, damit ihr nur mit diesem hohen, fiesen, aggressiven Gekreische aufhört.“ Es ist kein Weinen, es ist kein Motzen. Es ist Folter. Alle Leute im Umkreis von 10 km starren einen dann an, als wenn man kleine Kinder fressen würde.
Kennt ihr das? Die beiden wissen, dass sie mich so kriegen.

So dürfen die besten Kinder der Welt den Weg vom Park bis nach Hause mit Kinderbüchern, den verbliebenen Sandförmchen, Keksen, Brezen und Teeflaschen pflastern, die Schuhe und Socken wahlweise an- und ausziehen (und im Minutentakt wieder an- und ausziehen) und Platz im Kinderwagen tauschen so oft sie wollen. Ich hasse mich dafür.

An Tagen wie diesem wünschte ich, ich wäre die Super-Nanny.
Auch wenn ich die nicht leiden kann.

Mittwoch, 22. April 2015

Buy one, get one free

Eines Tages kam  am Spielplatz ein fremdes, etwa fünfjähriges Mädchen auf uns zu.
Sie schaute eine Weile interessiert in den Kinderwagen und fragte mich dann:
„Sind das Zwillinge?“.
Ich bejahte und sie musterte die beiden aufs Neue fasziniert von oben bis unten.
An dieser Stelle muss ich zum besseren Verständnis erwähnen, dass sich Mäusezähnchen 1 & 2 wirklich zum Verwechseln ähnlich sehen, wenngleich sie meist unterschiedlich angezogen sind.

Nachdem das freundliche Mädchen seine eigehenden Beobachtungen eingestellt hatte, wandte es sich wieder mir zu und wollte nun wissen:
„Heißen die dann auch gleich?“.

Ich muss gestehen, dass das mit Abstand (!) die intelligenteste und am meisten naheliegende Frage war, die mir seit langer, langer Zeit – genauer gesagt, seit öffentlicher Bekanntgabe meiner Schwangerschaft – zu diesem Thema gestellt wurde. Und das meine ich ausnahmsweise absolut nicht ironisch!

Der Auslöser dafür, dass ich mich gerade jetzt an diese rührende Begebenheit erinnere ist, dass mir heute eine Bekannte eine aktuell auf FB kursierende Variante des „Zwillingseltern-Bullshit-Bingos“ hat zukommen lassen. Und – BINGO!!! – ich hatte sie wirklich alle. Ausnahmslos und mehrfach sind mir die dort spaßeshalber aufgelisteten Fragen und Kommentare in den vergangenen 14 Monaten in den unpassendsten Momenten und an den unmöglichsten Orten schonungslos um die Ohren gehauen worden…

Von „Ich würde mich ja erschießen!“ (Tolle Mutter wären Sie dann, all Thumbs up!!!), über „Wie praktisch – da haben Sie Ihre Familienplanung ja in einem Aufwasch erledigt.“ bis hin zu „Sind die künstlich oder echt?“

Die letzte Frage – die zudem wirklich in Impertinenz und Unverfrorenheit, sowie in zu Wort gebrachter Dummheit kaum zu überbieten ist – löst übrigens die heftigsten Aggressionen in mir aus.
Und das OBWOHL meine „echt“ sind und zwar so was von echt, finde ich, dass es einfach schrecklich klingt, so formuliert.

Ich meine: Schlumpf-Eis zum Beispiel ist künstlich. Oder aufgeklebte Fingernägel. Der Geruch, der einem entgegenschlägt, wenn man die chinesischen (ich sprach bereits davon) Puzzle-Buchstaben-Krabbelboden-Elemente aus ihrer laminierten Verpackung befreit, ist künstlich.
Kinder und erst recht Babys sind meines Erachtens immer echt. Immer!

Eine weitere Frage, die mich regelmäßig an den Rande des Wahnsinns treiben würde, wäre ich nicht so tiefenentspannt (Achtung: Sarkasmus) – und hier muss ich einschieben, dass ich eine absolute Klischee-Mädchen-Mama bin und Schleifchen, Rüschchen, Röckchen, Kleidchen, Spängchen, und Rosa an meinen Kindern liebe – ist ja auch folgende: „Und wer isch jetzt das Büebli???“.

Zu toppen nur noch von der – in dieser Reihenfolge an Sinnlosigkeit nicht zu übertreffende – Kombination (also eine Art „Dumm-Dumm/Dümmer-Geschoss“,
welches da auf mich abgefeuert wird):

1. „Zwillinge?“
Sieht so aus.
2. „Eineiig, oder?“ Mhm.
3. „Natürlich entstanden?“
Geht dich zwar nix an, aber: ja.
4. „Und wer isch jetzt das Büebli?“ Aaaaahhhhhrghhh!

Am liebsten wäre ich prophylaktisch nur noch mit einem Stapel Infobroschüren voll mit gynäkologischen Details und biologischen Fakten unterm Arm unterwegs und würde diese großzügig und wortlos (!) unter dem aufzuklärenden Volk verteilen.

Ich bin es sooo satt, mir auf dumme Fragen noch dümmere Antworten zu überlegen.
„Die kommen ja bestimmt sehr teuer!“
Nein, sie sind unverkäuflich.
„Die machen sicher viel, viel Arbeit.“
Naja, erledigen tun sie bisher jedenfalls keine.
„Das ist ja toll – die spielen wohl viel miteinander?“ Das ist ja das Problem.
„Wie kennen Sie die denn auseinander?“
Meistens gar nicht.
„Die haben Sie aber nicht gestillt, oder?“
Doch. Natürlich.

„Sie waren bestimmt sehr geschockt bei der Diagnose!“
Ja, geht so. Noch mehr geschockt war ich eigentlich über die Tatsache, dass die Reaktion meines Mannes auf die Verkündung der frohen Botschaft – statt mich zu trösten oder sich wenigstens zu freuen – war, mir mittzuteilen, ich hätte es HIERMIT geschafft, uns von heute auf morgen an das finanzielle Existenzminimum zu bugsieren.
„Ich hätte ja auch so gerne Zwillinge bekommen!“  
Meine Schwangerschaft hätten Sie vermutlich nicht überstanden. Der Mensch ist definitiv nicht zum Austragen von Mehrlings-Schwangerschaften konzeptioniert worden und das habe ich spätestens ab dem 5. Monat jede einzelne verdammte Sekunde zu spüren bekommen.

Und obwohl die beiden Engelchen jede einzelne verdammte Sekunde dieser Hölle mehr als wert waren, was ich damals aber leider ja noch nicht wissen konnte, werde ich nie-nie-nie-niemals diese romantisch-verklärten Blick bekommen, den die Mütter aufsetzen, die allen Ernstes behaupten, die Schwangerschaft sei die wundervollste Zeit ihres Lebens gewesen. Das nenne ich verständnislos "post-partale Amnesie". Notwendig zur Erhaltung der Menschheit.

Ich habe mir vorgenommen, sollte ich dem kleinen Mädchen vom Spielplatz nochmal begegnen, werde ich ihm sagen, dass es Recht hatte: Die Kinder heißen Mäusezähnchen 1 &2. (So kann ich sie nämlich besser auseinanderhalten…)




Montag, 20. April 2015

Ausgespielt

Es ist an der Zeit, die unrealistischen, idealistischen Vorstellungen vom ausgewählten, hochwertigen, handgefertigten Qualitätsspielzeug über Bord zu werfen. Es hat mich zwar fast meine Ehe gekostet, aber ich sehe es jetzt ein.
Und zwar weil ich sowieso keinen Einfluss drauf habe.
Denn es bestimmen immer noch die Kinder, womit sie spielen wollen und womit nicht.

Praktischerweise sind ich in meinem „Versuchsaufbau“ sowohl die Testgruppe (Zwilling A), also auch die Kontrollgruppe (Zwilling B) sowieso dauerhaft präsent und auch Spielwaren der verschiedensten Kategorien, Preisklassen, Beschaffenheit, Funktionalität und Herkunft reichlich vorhanden.


Nach 14 Monaten intensiver Forschung und Beobachtung habe ich folgendes zu verzeichnen:

- Stecken Sie sich Ihr pädagogisch wertvolles Lernspielzeug aus Naturmaterialien ohne giftige Inhaltsstoffe am besten an den Hut!
Die waldorferprobten, TÜV-geprüften und fair getradeten Spielsachen sind was für Eltern. Und zwar exklusiv. Bestenfalls noch was fürs Regal oder fürs Posing beim Angeber-Fotoshooting. Oder für die Katz´. Aber selbst die ist in dieser Hinsicht nicht so leicht abzufertigen.

Angesagt ist stattdessen: billiger, nach Kunststoff stinkender – gerne auch elektronischer – aus China vom Papa (dem notorischen Einkäufer) importierter Schrott. Ja, Schrott. Sie haben richtig gelesen.

Je oller, desto doller. Je lauter, desto freu. Wir haben da unter Anderem eine Art „Lerncomputer“ für Einjährige, den ich gerne „die Epilepsie-Maschine“ schimpfe (nicht grundlos - sie blinkt in beängstigender Intensität und Frequenz), „die Höllenmaschine“ – einen vollautomatischen Roboter-Husky mit gruseligen Augen und einem Geräusch-Repertoire, das aus einem mittelklassigen Horrorfilm stammen könnte – allerdings in Dolby-Surround-Qualität (dieser Mist-Köter reagiert auch auf Bewegungen und Geräusche und hat mir schon mehr als einmal, bevorzugt nachts, mein Herz vor Schreck drei Takte aussetzen lassen), ein elektronisches Liederbuch (hat dem Papa wohl nicht so gefallen mein: „Guter Mond du ge-heeest so-hoo stiii-hille…“) und etliches, etliches, etliches mehr…

Bei manchen dieser Foltermaschinen verhilft ein mehrfach über die Lautsprecher-Rillen geklebtes Paketklebeband zur Schalldämpfung auf eine in Europa zulässige Lautstärke für Kinderspielzeug.
Wenn gar nichts mehr hilft, hilft nur noch: An der Autobahnraststätte aussetzen. Versehentlich.

Problem: Die Kinder lieben diese Sachen. Sie lieben sie wirklich. Auch wenn das Mutterherz (und –trommelfell) schmerzt. Die Kinder haben wahrscheinlich noch nichts von Reizüberflutung gelesen und wissen auch nicht, dass diese Art von Beschäftigung eventuell die Entwicklung ihrer Kreativität einschränken könnte usw. usf. Daher ist es auch nicht zu erwarten, dass diese oder ähnliche Probleme auf- bzw. eintreten werden. Amen.

- mit der Anschaffung eines Bälle-Bades tun Sie sich keinen Gefallen. Punkt!
Es sei denn, sie haben Freude daran, das allabendliche circa einstündige „Auf-dem-Bauch-durch- die-Wohnung-rutschen“ in ihr Fitnessprogramm zur Widerherstellung der vorschwangerschaftlichen Silhouette zu integrieren oder Ihrem Partner auf diese Weise körperlich wieder näher zu kommen – denn - Hey: Immerhin beschäftigen Sie sich intensiv miteinander!

- Alles doppelt kaufen, ist immer noch zu wenig.
Ursprünglich war ich mal der Meinung, „es wäre doch nett, wenn die Kinder Unterschiedliches geschenkt bekämen, man möchte doch die Individualität fördern – außerdem können sie dann tauschen und haben mehr verschiedenes zur Auswahl zum Miteinanderspielen“ – Pustekuchen. Pustetorte. Doppelstöckige Pustetorte.

Merke: Es ist IMMER – ausnahmslos IMMER - DAS besser und interessanter, was der/die andere gerade hat. Und: jedes Kind hat im Regelfall zwei Hände! Mein Mäusezähnchen Nr. 1  gibt sich ganz und gar nicht zufrieden, nachdem es Mäusezähnchen Nr. 2 (die Nummerierung stellt keine Wertung dar, beschreibt nur die übliche Reihenfolge von der Geburt bis hin zu dieser eben beschriebenen Aktion) das Objekt der Begierde entrissen hat. Gibt man MZ 2 nun nämlich zum Trost (das extra zur Vermeidung von genau diesen Spannungssituationen doppelt gekaufte) zweite Objekte, wandert es sogleich in die (Überraschung!) zweite Hand von MZ 1!

Und MZ 1 ist nicht dumm ("mein Schaaaatz!"), sie hat auch noch einen Mund – falls die Hände nicht mehr reichen. So begab es sich zum Beispiel, dass MZ 1  am Ende des „Versuchs“ mit DREI Nuckis versorgt war (in jede Hand einer, Mund) während MZ 2 immer noch untröstlich am Weinen war.

- Es gibt NICHT zu viel Spielsachen (außer zum Aufräumen)
Auch in diesem Punkt muss ich allen aktuell empfohlenen Ratgebern widersprechen.

- Spielzeug, das Ihrem Kind gefällt, erkennen Sie daran, dass es unhygienisch, klebrig, unappetitlich, verfärbt (oder entfärbt) ist oder anders mehrfach persönlich gekennzeichnet wurde. Sieht es aus wie neu, ist es kein Spielzeug sondern (siehe oben) eher was für Eltern, Regal, Katz´…
Beliebte, geliebte, kindgerechte Spielsachen sehen auch so aus! Sie sind ein Sammelplatz und eine Kontaktbörse für Bakterien. Gewöhnen Sie sich dran. Sie können es nicht ändern. Egal, wie sehr Ihnen graust.

- Und zum Abschluss noch: Wer gesagt hat, ein Kind brauche gar keine Spielsachen, es könne sich mindestens genauso gut (wenn nicht noch besser) mit Kochlöffel, Schneebesen, Bratpfanne und Co amüsieren, der hat GARANTIERT keine Zwillinge zu Hause!
Gibt man Zwillingen, die nebeneinander/miteinander agieren/interagieren oben genanntes oder artverwandtes Gerät zum „Spielen“ in die Hand, wünscht man sich spätestens nach 3 Minuten, man hätte im Kinder-Erste-Hilfe-Kurs besser aufgepasst.






Sonntag, 19. April 2015

Ohne Worte

Neulich bekam ich recht überraschend Besuch von einer ehemaligen Kollegin. Ich hatte sie über zehn Jahre lang nicht gesehen. Beruflich selbständig, kinderlos, sich auf alle denkbaren Arten selbst verwirklichend, sportlich, metropolitisch, modisch, party-affin und AUSGERUHT kam sie mir vor wie aus einem Paralleluniversum, eine Verkörperung all dessen, was mir fast schon fremdartig erscheint.

Dass dieser Eindruck auf Gegenseitigkeit beruhen sollte, stellte sich schneller heraus, als mir lieb war.

Nachdem sie sich einige Minuten lang einen groben Einblick in meine derzeitige Lebenslage und einen Überblick über das gesamte Schlachtfeld – genannt unser Zuhause – verschafft hatte, sowie meine beiden kleinen „Mitbewohner“ begrüßt (in seinem Buch „Das glücklichste Kleinkind der Welt“ bezeichnet Dr. Harvey Carp ebendiese durchgehend als „Höhlenmenschen“ oder gar „Neandertaler“, wenngleich auf eine liebevolle und wissenschaftlich halbwegs fundierte Weise), lässt meine frühere Kollegin völlig unbeeindruckt folgenden, völlig ernstgemeinten (für mich aber nicht minder folgenschweren) Satz fallen:

„Und hier spielt ihr also den ganzen Tag!“

Dieser eine, an sich belanglose Ausspruch ihrerseits hat mich in diesem Moment und auch nachhaltig derart aus der Fassung gebracht, dass ich ihn heute – etliche Wochen später – immer noch kontinuierlich in meinen Gehirngängen hin und her schwappe, in der Hoffnung auf eine sich dadurch bald einstellende Desensibilisierung meinerseits. Immunisierung.

Ich war so überrumpelt und baff (und bin es in der Tat immer noch), wie es einem Menschen gelingen kann, unter Einsatz von nur acht weitgehend bedeutungslosen Worten, zwei grundverschiedene Welten dermaßen heftig aufeinanderprallen zu lassen - eine Kluft zwischen zwei unterschiedlichen Leben derart drastisch darzustellen, dass ich wie vom Donner gerührt war.
Hirntot, wenn man so will. Keine Argumente mehr verfügbar. Alle Selbstschutzmechanismen vollständig deaktiviert. Zungengelähmt. Sprachlos. Kabel restlos gekappt.


Dieser emotionale Ausnahmezustand – oder besser: Notstand, veranlasste mich (wohl um die unglückliche Situation vollends auf die Spitze zu treiben) dazu, meiner ehemaligen Bekannten auf ihre simple Frage: „Und hier spielt ihr also den ganzen Tag“ unfassbarer Weise mit „Ja!“ zu antworten und mich sogar noch gemüßigt zu fühlen, anzufügen: „Aber weißt du, oft  treffen wir ja auch Freunde zum Kaffee trinken und Spielplatz.“

Ich könnte mich heute noch dafür ohrfeigen!!! Kam das jetzt wirklich aus meinem Mund? Das konnte doch nicht wahr sein! Bin ich ernsthaft der Meinung, mein Alltag mit den gut einjährigen Zwillingen bestünde aus „Spielen“ und im Café sitzen und plauschen?
Und möchte ich dieses – für einige Menschen sicher paradiesisch anmutenden – Bild meiner Mutterrolle tatsächlich so nach außen tragen? Ich bin von mir selbst geschockt. Mehr als das.

Ich überlege wann ich eigentlich das letzte Mal in Ruhe einen Kaffee getrunken habe, der mir nicht nur als Dopingmittel, sondern viel mehr als Genussmittel diente. Etwa vor 14 Monaten.
Ich versuche mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal den Kaffee am Tisch (!) sitzend (!) und ohne Unterbrechungen „genossen“ habe, OHNE die Tasse waghalsig hinter meinem Rücken jonglieren zu müssen, OHNE nach dem Konsum des besagten Heißgetränks den Boden feucht aufnehmen oder mich und oder die Kinder frisch einkleiden zu müssen, OHNE mir versehentlich die Hälfte der braunen Brühe in den Ausschnitt zu kippen oder den Mund zu verbrühen, weil ich mir nicht einmal die Zeit nehme, die Temperatur zu überprüfen und alle Sinne auf Umleitung geschaltet habe, um mir schließlich Stunden später den Rest des Wachmachers kalt reinzuziehen. (Soll ja sprichwörtlich wenigstens schön machen, auch wieder so eine Lüge). Vor ca. 14 Monaten. Wie gesagt.

Ich möchte nicht jammern. Ich will nicht undankbar erscheinen. Ich bin sogar sehr dankbar für die besten zwei Mädchen, die der Himmel mir jemals hätte schicken können. Ich wollte es einfach nur erwähnen.

Ok. Weiter im Text. Und wenn ich also nicht gerade Kaffee trinke, bin ich am Spielen mit den Kleinen. Den ganzen Tag. Habe ich wohl wirklich so gesagt. Klingt verlockend. Auch das muss ich mir nochmal auf der Zunge zergehen lassen. Und Revue passieren lassen. Ich grüble…

WENN ich mich also tatsächlich den gesamten Tag über mit meinen beiden entzückenden Sonnenscheinchen in unserem gutbestückten Spieleparadies amüsiere – wie ich das von mir behauptet habe (oder zumindest in dieser Form bestätigt), warum – WARUM in aller Welt – fühle ich mich dann JEDEN EINZELNEN ABEND – man verzeihe mir bitte den Vergleich – wie der angegammelte, halbfeuchte Putzlappen, der seit Monaten hinter der Toilette gammelt?

Schlapp, ausgelaugt, unansehnlich, übelriechend, schlechtgelaunt (ok, das unterstelle ich dem Wisch-Mopp jetzt einfach mal), abgerieben, ausgewrungen, verbraucht und unappetitlich? Bin ich am Ende DOCH undankbar? Ich kreise um mich selbst. Das führt zu nichts. Aber irgendetwas ist falsch, das spüre ich. Diese Konversation hat mich voll aus dem Konzept gebracht, mich aus der Balance geworfen, an meinen Grundfesten gerüttelt, mein Selbstverständnis in Frage gestellt, meine Welt ins Wanken gebracht. Ach, ja-stimmt, ich wollte nicht jammern.

Ich ärgere mich über die unüberlegte und blauäugige Aussage der Kollegin. Aber woher soll sie es denn besser wissen? Kann sie ja gar nicht. Also ärgere ich mich lieber über mich selbst. Am stärksten muss ich mich über meine hirnamputierte Antwort aufregen. Wem will ich hier eigentlich was beweisen? Ich ertappe mich trotzdem dabei, mich im Geiste selbst zu beschwichtigen, zu rechtfertigen, mir Argumente zu Recht zu legen, die ich nie wieder werde anbringen können.
Dieser Zug ist abgefahren.

Wie immer fällt mir erst Stunden oder Tage später ein, was ich hätte entgegnen können in prekären Situationen. Jetzt ist es zu spät. Jetzt wird mir niemand mehr zuhören. Sinnlos. Und trotzdem:
Der Beginn meines Tages (an dem ich hauptsächlich spielen und Kaffee trinken werde – wie jeden Tag, wie ihr wisst) kündigt sich gegen 07.30 an. Mit Walgesängen. (Die Walgesänge werden über das Babyphone vom Kinderzimmer ins Elternschlafzimmer übertragen.) Um beides werden mich zunächst viele (Eltern, wie auch Kinderlose) beneiden. Weder die Uhrzeit noch der Sound sind per se schlecht.

Eventuell befinde ich mich zu diesem Zeitpunkt allein im „großen“ Bett oder zu zweit, zu dritt oder viert. Das ist jeden Morgen anders und so bleibt eine gewisse Spannung erhalten. Langeweile im Bett sieht anders aus.

Im ersten Fall (bin alleine) habe ich „Darth Vader“ irgendwann zwischen 1.00 Uhr und 4.00 Uhr aus dem Ehebett verbannt und die Twins haben gut geschlafen. Im zweiten Fall habe ich mich „der dunklen Seite der Macht“ ergeben bzw. war zu müde um zu fighten oder – Ausnahmefall, hab ich heut Geburtstag oder was? – alles lief bei uns wie im IKEA-Katalog.


Im dritten und vierten Fall gab es nachts entweder *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „Zähne!“ oder eine handfeste Erkältung, schlimme Albträume, Langeweile, oder, oder, oder,… - ihr kennt das selbst. Und dann bin ich sehr, sehr müde. Das kommt sehr, sehr häufig vor. Und in diesem Fall lausche ich den Walgesängen im Halbschlaf ein bisschen zu lange. Ich lausche Ihnen dann bis sie zu einem ärgerlichen und fordernden Rufen anschwellen und schließlich zu wütendem Kreischen werden.

Dann geht es los. Mit massiven Schuldgefühlen meinerseits wegen der verspäteten Serviceleistung schleppe ich mich ins Kinderzimmer und mache ich mich an die Stinkbomben-Entschärfung. (Im Laufe des Tages werden noch bis zu 12 mehr oder weniger gefährliche Lieferungen an Biomasse bis hin zu Sondermüll mit Giftgasen zusammenkommen, die eigenhändig entsorgt werden müssen.) Parallel dazu gibt’s das Guten-Morgen-Lied. Rituale sind wichtig und machen Kinder stark. Notfalls trägt man die Lieder eben mit geschlossenen Augen und noch ungeputzten Zähnen vor, auch Kopfschmerzen sind kein Hinderungsgrund.

Nun: Die Prinzessinnen beknien, ob sie sich doch bitte etwas anziehen lassen würden. Unter Umständen. Vielleicht. Ausnahmsweise. Das kann dauern. Selbstbestimmung wird auch schon in ganz jungen Jahren ganz groß geschrieben. Man möchte ja auch nicht die Kinder in ihrer freien Entfaltung beeinträchtigen oder ihnen gar den mütterlichen Willen aufzwingen nur weil man selbst gerne eigentlich (wenn man schon nicht schlafen darf) irgendwann duschen (klappt erfahrungsgemäß gegen Mitternacht und lohnt sich dann auch erst richtig), sich anziehen, Kaffee trinken (da haben wir´s wieder! Luxusprobleme sag ich nur) und so weiter und so fort würde. Da muss man sich schon Zeit nehmen. Mal zwei.

Es kann also durchaus Mittag werden (Sorry, Postbote) bis die Mutter ihren Schlafanzug gegen Schlamper-Schlabber-Outfit Nummer 1- Nummer 5 (je nach Tagesform in der Reihenfolge von 1-5 getragen) eingetauscht hat. Mamas Look stört die Kinder wenig. Gottseidank wird sie bedingungslos geliebt. Mit oder ohne Flecken. Mit oder ohne Garderobe. (Ungeachtet der Tatsache, dass sie sich selbst gut angezogen ein wenig besser fühlen würde. Leider nur für ein paar Minuten. Dann täte es ihr auch ebenso schnell wieder leid, dass sie sich zurecht gemacht hat) Ein paar gelegentliche Accessoires (zum Abzupfen, Ablecken und Ankauen) steigern allerdings den Unterhaltungswert der Mutter für die Kinder noch ein wenig.

Ich werde euch nun damit verschonen, die öden schnöden Grundbedürfnisse der Frau und Mutter aufzuzählen, die sich sowieso nicht mit der artgerechten Kleinkinder-Pflege vereinbaren lassen und bei näherem Betrachten sowieso völlig überflüssig sind. Ebenso möchte ich euch ersparen, den weiteren Tagesablauf genauso detailliert wie den Morgen weiter wiederzugeben. Wir sitzen eh im gleichen Boot. Und es wäre müßig. Und endlos. Und uferlos. Und frustrierend in weiten Teilen. Außerdem verliere ich den Faden im verzweifelten Versuch, den Gegenbeweis dafür anzutreten, dass ich nur kaffeetrinkend spiele bzw. spielend Kaffee trinke. Tag ein, Tag aus.

Langer Rede – kurzer Sinn: Ja, ich SPIELE wirklich immer wieder mit meinen Kindern. Mal 2 Minuten und mal 20 Minuten. Die Aufmerksamkeits-Spanne der Kinder beträgt im Augenblick (liebe Kinderlose) etwa 3 Minuten. Von daher passt ein Spiel ganz gut zwischen die Tätigkeiten (ja, es gibt sie wirklich!), die frau sonst noch so zu erledigen hat. Wir „lesen“ auch mal ein Buch. Mit 5 Seiten und 10 Wörtern. Oder backen einen Sandkuchen. Oder singen ein Lied. Natürlich. Und kuscheln. Aber wenn ich die Bilanz aus den allerallerallerallermeisten Tagen ziehe, an denen wir drei alleine zu Hause sind, ist es ernüchternd, wie wenig „Qualitätszeit“ doch übrig bleibt.

Die Worte, den meine Kinder am häufigsten von mir hören den lieben langen Tag sind: „Gleich“. Gleich“ und nochmal „Gleich“. „Gleich ist die Mama da“, „Gleich gehen wir spazieren“, „Gleich gehen wir ins Bettchen“, „Gleich gibt es Essen“, „Mama muss nur noch schnell dies“, „Mama muss nur noch schnell das“, „Gleich“., „Gleich“, „Gleich“, „Gleich“. Das ist so traurig. Es macht mich selbst total fertig. Aber so sieht die Realität eben aus.

An einem Tag mit Kindern zu Hause ist man eben nicht nur die, die mit den Kindern spielen darf, sondern ein multiprofessionales „Mutti-Funktionstalent“, das abwechselnd in die Rolle der Putzfrau (nach jeder Verköstigung mindestens eine halbe Stunde), des Müllmanns (unfassbar diese Abfallberge), des Zimmermädchens, des Seelsorgers (Tränchen trocknen), des Animateurs, der Krankenschwester (Heile, heile Segen), der Köchin, der Lehrerin, der Psychologin, des Diplomaten, des Logistikers, des Chauffeurs, des Mediums (Streit schlichten), der Telefonzentrale, der PR-Abteilung (Treffen abmachen, Kinderarzt), des Einkäufers, der Waschfrau (bis zu 3 Maschinen täglich), des Clowns, der Friseuse und tausend Funktionen mehr schlüpfen darf. Mal zwei, liebe Zwillingsmütter. Mama-Sein wird klar unterschätzt, liebe Kinderlose. In Umfang und Anspruch.

Wenn die Kinder ( – falls die Kinder –) dann endlich schlafen, könnt ihr noch gut 2 Stunden für die Spurenbeseitigung dranhängen und natürlich die ganze Nacht Bereitschaftsdienst. Auch am Wochenende. Aber wenn ihr Glück habt, ist ja zwischendurch mal ein Kaffee drin. Wenigstens.

PS: Die ehemalige Bekannte hat unser Aufeinandertreffen wohl ähnlich irritierend empfunden wie ich und hat sich seit dem nicht wieder blicken oder hören lassen. Hat halt doch jeder sein eigenes Leben. Aber vielleicht trifft man sich irgendwann wieder. Auf einen Kaffee oder so...


Freitag, 17. April 2015

Bissfest

Zähne sind eine feine Sache. Wenn man sie hat. Und wenn man sie bekommt noch mehr.

Im ersten Fall sind die Zähne eher dem Kind dienlich. Es könnte die Nudel oder das Pommes theoretisch jetzt erst einmal durchbeißen, bevor es sie herunterwürgt. Es kann jetzt die Shampoo Flaschen im Badezimmer der Reihe nach unter Einsatz der unteren Schneidezähne „aufhebeln“ und einen Schluck von jeder Geschmacksrichtung probieren.
Es kann seine Missgunst damit ausdrücken und beispielsweise buchstäblich die Hand beißen, die es mit Spinat-Pampe (Achtung: Klischee) füttert. Es kann seine unverkennbare Signatur im Türrahmen oder Papas Nase hinterlassen oder die Post vor der Abheftung lochen. Es kann bezauberndst lachen und seine schneeweißen Beisserchen auf einem Foto so blitzen lassen, dass selbst Naddel mit ihren schleimigen Veneers vor Neid erblassen würde.
Es kann schaurige Geräusche mit dem Nuggi veranstalten und die Mama damit die Wände hochjagen. Es kann sich jetzt in Dinge (wahlweise Personen) von denen es nicht getrennt werden möchte, buchstäblich verbeißen. Es kann sich effektiv gegen Rivalen in der Krabbelgruppe zur Wehr setzen. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Das Zähne bekommen ist ebenfalls eine feine Sache. Und zwar in erster Linie für die Eltern. Die haben nämlich für jedes unerwünschte Verhalten und jedes Symptom ihres Kindes (und zwar vom Neugeborenen bis zum Kindergartenkind) eine prima Ausrede, respektive Erklärung und zwar: *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne!“.

Ohne Zweifel ist das Zahnen ein extrem schmerzhafter und langwieriger Vorgang, den ich hier keineswegs herunterspielen möchte. Die Kinder leiden wirklich Höllenqualen und werden viel zu häufig von ihren Eltern „missverstanden“ in ihrem Unmut! Und manchmal leiden die Eltern sogar noch viel mehr als ihre Schützlinge.

Nichtsdestotrotz sind *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ NICHT dafür verantwortlich, wenn der Papa am Freitagabend fünf Feierabendbier zu viel hatte und Samstagmorgen durchhängt. Ebenso wenig sind *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ schuld, wenn der Wellensittich tot vom Stangerl kippt, der letzte Parkplatz der Mama vor der Nase weggeschnappt wird, die Oma plötzlich Hämorriden bekommt oder die Mietpreise steigen.


Die meist fadenscheinige weil völlig aus dem Blauen gegriffene Feststellung *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ erinnert mich stark an meine Mutter (Sorry dafür, Mama!!!), laut deren Aussage ich mich über 10 Jahre lang in der Pubertät befand.  
*Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Pubertät“  begleitete mich vom 10. Lebensjahr an bis gut zur Vollendung des 20. ten.  Sie war eine Entschuldigung für alles, was das Kind, respektive ich, tat oder eben nicht tat.

Gegen *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ hat jede Mami IHR Patentrezept. Das einzige, was wirklich hilft! Und jede teilt das gerne mit jedem der gerade *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ bekommt. Oder eben auch nicht. Und jedem der es hören will. Oder eben auch nicht.

Denn was Mütter (vor allem Mütter) nur extrem ungern hören ist, dass es noch eine Million anderer plausibler Gründe für das Unleidig sein und die Unpässlichkeit seitens ihrer Sprösslinge gibt und sie (die Mütter und Väter) absolut nicht immer völlig ohne Anteil daran sind.

Die Gegenmaßnahmen gegen *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ reichen von esoterischen Accessoires wie Bernsteinkettchen (neulich war in den Nachrichten zu hören, das sich ein Kind um ein Haar im Schlaf damit stranguliert hätte), Veilchenwurzeln und hochpotenzierten Zuckerkügelchen ohne Zucker – erhältlich in jedem Hexen- und Zaubereibedarf (mit dieser Aussage handle ich mir nun garantiert einen Shitstorm ein), über handelsübliche Gefrier-Akkus, Fischstäbchen und Holzbausteine bis hin zu starken Schmerz- und Fiebermitteln, vor deren Anwendung die Not schon wirklich groß sein sollte, da das von *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ geplagte Kind, dann nicht nur *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ nicht mehr so sehr spürt, sondern sonst auch gar nimmer viel mitkriegt.

Ich möchte mich hier keinesfalls lustig machen über die verzweifelten Versuche aller Eltern, den Schmerzen ihrer Lieblinge mit aller Macht das Handwerk zu legen, um ihren Kindern so gut wie möglich zu helfen. Meiner Meinung nach sind *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ aber etwas Natürliches, etwas Gutes und durchaus Praktisches (siehe oben) und das beste Heilmittel gegen *Seufz* vielsagende Pause * Augenroll* „die Zähne“ immer noch Geduld, Spucke und viel Liebe.

Manchmal hilft es eben nur, die Zähne für eine Weile zusammen zu beißen.

Donnerstag, 16. April 2015

Good Morning Sunshine - Hallo Wach!


Wenn ich wütend bin, hab´ ich am meisten Energie. Genau jetzt also. 5.00 Uhr früh.
Und nein – diesmal sind nicht die Zwillis schuld. Keiner von beiden. Mamas Augensternchen schlummern seit  sage und schreibe 10 Stunden kaputtgespielt und friedlich in – Überraschung – IHREN Bettchen!

Heute ist es der Göttergatte, der mich in den Wahnsinn treibt. Genau ER, der wissen sollte, wie dringend ich jede Minute Schlaf, den ich bekommen kann, habe. ER hat heute einen Termin in Frankfurt und muss in aller Herrgottsfrühe los zum Flughafen.
Das stinkt ihm. Und er teilt seine Gefühle gerne mit mir. Die meisten Frauen erträumen sich dies ein Leben lang vergebens.

Mein Traum hingegen endet heute um 4.30 Uhr jäh, als im Schlafzimmer die Apokalypse ausbricht. Und zwar in Form einer Armada aus Elektrogeräten. Drei Handys, ein Radio und ein Blackberry läuten im gesamten Raum verteilt das nahende Ende ein und summen, brummen, piepen, leuchten, blinken und dudeln um die Wette. (O-Ton vom Vorabend: „Ich hab´ so Angst, dass ich morgen früh nicht aufwache!“)
Diese Sorge stellt sich zumindest als unbegründet heraus. WIR! SIND! WACH! Und zwar so was von!
Zur Beruhigung nach diesem nächtlichen Schrecken muss jetzt erstmal eine halbe Stunde lang verträumt den Klassikern aus den 80ern im Radio gelauscht werden.

Der Frau, die bis zu diesem Zeitpunkt - was sowieso an ein Wunder grenzt- noch zurück in den wohlverdienten Schlaf gefunden hätte, muss nun ausgiebig der Kopf gestreichelt werden. Versteht mich nicht falsch. Ich liebe Kopfstreicheln. Ich liebe meinen Mann. Aber es macht mich gewissermaßen ärgerlich, dass ich seit Wochen, was sage ich Monaten vergeblich auf diese Art der Zuwendung warte und GENAU JETZT der Zeitpunkt gekommen sein soll. Ich bin undankbar. Und saumüde. Und stinksauer. Und saumüde. Ach, das hatten wir schon.

5.00 Uhr früh. Die Kinder schlafen. Ich schlafe. Pardon: Ich schlief! In mir brodelt es. Leider nicht vor Leidenschaft. Ich dachte, der Herr hätte es so verdammt eilig heute Morgen seinen Flieger zu erwischen?

Endlich. ER steht auf. Er betätigt alle Lichtschalter, die er überhaupt finden kann. ER sucht seine Kleidung, Unterlagen, diversen Kommunikationsgeräte in der gesamten Wohnung zusammen. Konnte ja auch keiner ahnen, dass er heute so unerwartet ganz früh raus muss. Er rumpelt in die Dusche. Es rumpelt in der Dusche. Wie auch immer – ich will SCHLAFEN! SOFORT! ER versucht seine Hose anzuziehen und schüttet dabei geschätzt 2 kg Münzen aus der Hosentasche auf den Boden. Das ist kein Problem, das finden die Kinder nachher alles wieder wenn sie aufgestanden sind und freuen sich wie die Schnitzel, wenn sie sich mit dem unverhofften Geldsegen die Backentaschen füllen.

Nun – in einem Anflug von Nächstenliebe (oder ist es doch milde Gnade) schließt der Gemahl nun die Schlafzimmertüre, so dass ich zumindest das Babyphone nicht mehr hören kann.  Das ist ein sehr guter Plan! Denn nach dieser Nacht (und etlichen ähnlichen zuvor) werde ich sicher wie ein Stein bis 12.00 Uhr Mittag durchschlafen. Wo war nochmal der Haken? Ach so, ja – die Kinder. Die beiden sind schon 14 Monate. Die werden sich doch ausnahmsweise einmal alleine wickeln und anziehen und sich ihre Milch wärmen? 14 Monate. Und zu zweit. Das müsste doch zu schaffen sein. In diesen Youtube Videos sah das total einfach aus. Und außerdem: Spätestens 21.00 Uhr ist der Papa ja dann auch wieder da.

Halleluja: HE has finally left the building. Allerdings nicht, ohne mich voll illuminiert im hell erleuchteten Schlafzimmer zurückzulassen… Bis eben hätte ich – mit viel Glück und mir wohlgesonnenen Töchtern – noch 2 Stunden Schlaf hamstern können und damit unter Umständen aus dieser unglückseligen Folge von vierstündigen Nächten und darauffolgenden Zombi-Tagen, an denen ich erst in der Trambahn merke, dass ich in Hausschuhen unterwegs bin, ausbrechen können.

Jetzt nicht mehr. Mir reißt endgültig der Geduldsfaden und wüste Schimpftiraden per WhatsApp versüßen meinem Liebsten den Weg zum Flughafen.

Als der gröbste Frust verklungen (bzw. versendet) ist, versuche ich mich nochmal einzurollen und wenigstens noch eine halbe Stunde zu entspannen. DAS war das Kommando fürs Babyphone (so ein hypermodernes SCH***teil!), das just in dem Moment – mal wieder – seinen Funkkontakt verloren hat und pieeept, pieeeeeeeeept, pieeeeeeeeeeeept.


So. Es reicht! Ich stehe jetzt  endgültig auf und stelle das nervenraubende, nutzlose Ding gleich bei der Mami Börse rein. Neiiiiiin, doch nicht meinen Maaaann! Obwohl?

Nachtrag: Es gelingt mir nach dem Verfassen dieses Textes tatsächlich wieder für ca 30 Minuten einzuschlafen und sogar die Kleinen hätten noch eine Weile zufrieden in ihrem Bettchen verharrt, hätte nicht – ja hätte nicht Punkt  8.00 Uhr der Hausmeister begonnen, ausgerechnet an der Rückwand des Kinderzimmers (Trockenraum) ohrenbetäubend zu bohren und die Engelchen (nach fast 13 h Schlaf!!!) in absolute Panik zu versetzen.

Kuchenbacken - Zehn kapitale Fehler (bei überraschendem Verwandtenbesuch)



1.    Keine Backzutaten im Haus haben

2.    Sich einbilden, dass man als kreativer Kopf kein Rezept braucht

3.    Zutaten nicht abwiegen, sondern einfach "schütten"

4.    Die Twins mithelfen lassen

5.    Teig vom Blechkuchen schon mal ohne Obst "kurz" in den Ofen schieben, weil man zum Vorbereiten des Belages noch nicht dazu kam, da parallel zum "Bastelvorgang" ("Backvorgang"
wäre eine Anmaßung) ein Taifun durch die Küche tobt

6.    Teig anbrennen lassen, vor Entsetzen darüber, dass im Hintergrund gerade rohe Zwiebeln verspeist werden und in eigens zu diesem Zweck hergestellten Karottensaft-Seen geplantscht wird...

7.    Nun mühsam versuchen, den Belag nachträglich mit dem Messer in den derweil festgewordenen Kuchenboden einzuarbeiten - dabei alles total zerschneiden

8.    Während ein Kind vom anderen mit dem Schneebesen verprügelt wird, überlegen, ob und wie man den "Kuchen" noch retten kann oder ob man ihn unauffällig dem Kompost zuführen sollte und den Versuch zu backen später einfach leugnen

9.    Zum Entschluss kommen, das letzteres unglaubhaft klingt, wenn das gesamte Haus/Garten/Kleidung/Kinder bereits nach "Kuchen" duften, und darum jetzt versuchen,
die Schnitte im Teig mühsam  Butter und Zucker als Klebemasse zu kitten...

10.  Eine halbe Stunde zu spät (wenn es kein Rezept gibt, gibt's auch kein "zu spät") den Ofen ausschalten, weil man vierhändig im Bett festgehalten wurde zum kollektiven Mittagsschlaf; das Resultat zaghaft direkt aus dem Ofen probieren (mit dem Löffel vorsichtshalber) und dann beinahe das ganze Blech alleine leerschaufeln vor geschmacklicher Verzückung...

(Fertigkuchen besorgen – The End)

 

Oh Happy Day - Familienausflug


Da wir wegen des neuen Autos noch eine Kleinigkeit am Zoll zu erledigen hatten, dachten wir, wir nutzen den sonnigen Feiertag gleich für einen relaxten Ausflug an den Bodensee.
In Konstanz spazieren gehen, Spielplatz, Biergarten, Schiff fahren – so was in der Art.


Die Laune war sagen wir mäßig – die Nacht davor noch mäßiger. Wie man eben schläft neben einem Presslufthammer, der die ganze Nacht durcharbeitet und im Ehebett liegt und  Kindern, die sogar im Schlaf mit den Zähnen kämpfen, die sie noch gar nicht haben. (Sind das dann eigentlich so etwas  ähnliches wie Phantomschmerzen?)

Auf dem Weg zum Auto hat Kind A (ehemals „führender Fetus“) die Initiative bzw. Flucht ergriffen und im Treppenhaus noch im „Vorbeigehen“  eben  das Lieblingsbuch des Nachbarkindes zerlegt. (Vermerk ans geplagte Mami-Hirn: „Abends Ente Nelly bei Amazon suchen“)

Im Auto halten die Kinder dann herzerwärmend und allerliebst gegenseitig Händchen und sind in weniger als 2 Minuten weggeratzt, um dann am Zoll, wo der Papi schnell die Kleinigkeit wegen des Wagens regeln muss, wieder fit zu sein.

Wir warten solange „kurz“ im Wagen. Was soll ich sagen – nach neunzig Minuten sind alle Lieder gesungen, alle mitgebrachten Spielsachen ausgespielt und der gesamte Tages-Proviant verspeist. Mama ist mehrmals quer durch die geräumige Familienkutsche geturnt (es lebe der wöchentliche Yoga-Kurs – ach HALT: da hab ich´s ja seit ´nem Monat nimmer hin geschafft) und hat sich fürs einjährige Publikum wahlweise zum Affen oder Kasperle gemacht.

Der Papi ist nicht zu sehen und telefonisch nicht zu erreichen, das Geduldslimit der Kinder ist längst gesprengt, Mami muss suuuuuper-dringend auf die Toilette (nach drei Kaffee, einem Coke Zero und einem Red Bull) und hat keinen Autoschlüssel. Natürlich nicht. Also Kinder in den Kiwa und auf die Suche nach dem Örtchen.

Auf der Behinderten-Toilette (woanders kommt man mit Zwillingswagen schlecht rein), rutscht dann – während Mama Pipi macht – Kind B, das keine Lust hat  noch länger zu warten als eben schon – einfach mal elegant unter ihrem Tischchen durch und um ein Haar in die große Pfütze, die sich vor der Kloschüssel befindet. Mama, die die große Pfütze bis eben noch für Wasser hielt (dann aber gemerkt hat, dass die Kloschüssel für Menschen um die 1,60 mindestens 30 cm zu hoch ist, um sich ohne Berührung derselben im Stehen hygienisch und diskret zu erleichtern), unterbricht ihren „Erleichterungsvorgang“ also sofort um das Kind noch im letzten Moment zu fangen und – Aaaaahhhhhhhhhhhhhh – SCH*****. Den Rest könnt ihr euch denken… Oder besser nicht.

Der Papa ist inzwischen unverrichteter Dinge aus dem Zollhäuschen zurückgekehrt. „Wir müssen schnell zum Autohaus in Friedrichshafen, nur eine Unterschrift fehlt noch“. Die Kinder werden wieder vorschriftsmäßig im Wagen verstaut – der Kinderwagen bleibt allerdings draußen und wird beinahe rückwärts vom geschäftig hetzenden Papa plattgemacht. Nicht so schlimm. Bald können die Kleinen ja eh selber gehen.

Auf dem Weg nach Friedrichshafen macht der Neuwagen dann erst mal auf der Fähre einen lustigen Hüpfer Richtung Vordermann, als der Papa mal kurz das Radio ausschalten will und dabei die Zündung betätigt. Kein Problem – wir haben die Kinder ja auf dem Schoß und halten sie fest!

Wieder runter vom Schiff hat Kind A dann erst mal kräftig die Schnauze (und auch alles andere) voll und die Mama (und zugegebenermaßen auch der Papa) pflücken kleine Wienerle-Scheiben (appetitlich angerichtet neben Weintraubenhälften) vom Schoß des Kindes, vom Kuscheltier, vom Boden des Neuwagens,… Ihr kennt das. (Die Wienerle bestehen übrigens – OBWOHL sie von Leo Lausemaus sind, was ja erst mal total süß klingt, aus TOTEM GEFLÜGEL, was die Mama – wie alles andere an toten Tieren auch, verabscheut. Bemerkung am Rande.)

Gottseidank macht das Kind keine halben Sachen, denn so hat die Mama wenigstens was zu tun, während der Papa sich im Autohaus auf die Jagd nach der benötigten Unterschrift macht. Freundlicherweise kommt er zwischendrin alle 30 Minuten raus um zu sagen, dass es nicht mehr lange dauert.  Wir haben Geduld. Wir warten erst seit knapp drei Stunden auf unser Mittagessen und ebenso lange gehen wir ja auch „eh gleich“ eine Pizza essen.

Nachdem wir die Formalitäten geklärt haben, haben wir kurz nach vier – um halb sechs schließt der Zoll, der die Unterschrift erwartet. Noch massig Zeit also, um in Meersburg gemütlich einen Kaffee mit See- und Bergblick zu genießen und die Kinder zu füttern.  Genau 20 Minuten Zeit. Abzüglich der Parkplatzsuche. Also werden die Kinder auf den Schoß gepackt und der Löffel abwechselnd in den Eiskaffee und in die HIPP Spezialität „Schweizer Hörnli-Nudeln 3-Käse hoch“ gesteckt. Im Akkord  zwar, aber in aller Ruhe.  

Hätte die Mama auf dem Weg vom Parkplatz zum Seeblick nicht noch das Schnäppchen des Jahrhunderts getätigt (3 Taschen in 2 Minuten ergattert), würde sie dem Papa die nun folgende „energische“ Fahrweise noch viel übler nehmen als  Zwilling A, der diesmal besagte Hörnchen-Nudeln plus Erbsen und Reis, sowie Karottenwürfel (alles völlig unzerkaut und unverdaut) von sich gibt und sogar die vorderen Sitze und Papas Lederjacke erwischt.

Gut, dass es am Zoll ja gleich wieder eine Möglichkeit zum Umziehen und Waschen geben wird. Müssen ja eh bis 17.30 Uhr dort sein… Leider stehen wir so lange mitsamt unserer duftenden Fracht im Berufsverkehr- und In-Deutschland- noch-schnell-was-Einkäufer- Stau, dass wir den Zoll um 17.31 Uhr erreichen. Naja, jetzt haben wir viel Zeit zum Erbsenzählen. Äh – einsammeln…

Um den Tag doch noch mit „was Schönem“ zu beschließen (wenn wir schon keinen Erfolg bezüglich der Bürokratie verzeichnen können), fordert die Mama nun, nochmal zurück nach Deutschland zu fahren und sich eeeeeeeeendlich erfreulichem wie Spielplatz/Biergarten/Pizzeria zuzuwenden. Papa hat Schuldgefühle und lässt sich breitschlagen, den Kindern ist eh schon alles wurscht (der Magen von Kind A endgültig leer – also keine Bedrohung mehr) und es wird Folge geleistet.

Schwerer Fehler. Denn auf dem Weg zurück „die paar Meter nach Deutschland rein“ stehen wir ungefähr 45 Minuten und sehen, dass alle Wege retour (also wieder aus Konstanz – in das wir gerade einfahren – heraus ebenfalls DICHT sind und zwar kilometerweise).  Biergarten gibt’s eh keinen. Außerdem wird’s langsam kalt und dunkel, wir hatten noch kein Mittagessen, haben keine Ersatzkleidung mehr, keinen Handy Akku, keine Geduld, keinen Plan und auch sonst nix mehr.

Dann gibt uns der vermeintlich leere Magen von Kind A doch noch „den Rest“ und wir beschließen, dass der Ausflug nun endgültig zu Ende ist. (Auch aus Mangel an einer dritten Garnitur Ersatz-Kleidung) Auf dem Heimweg meldet sich nun Kind B angesichts der olfaktorischen Umgebung in zehn-sekündigen Abstand mit einem kläglichen „Mama-Mama-Mama“, „Mama-Mama-Mama“, „Mama-Mama-Mama“. (Erinnert uns sehr an „Penny? Knock, knock. Penny? Knock, Knock. Penny?“ Gut, dass es nur noch 65 Kilometer sind. Wie viel sind 65km geteilt durch 10 Sekunden??? AHHHHHH…

Zuhause wird beim Ausladen vom verzweifelten Kind B dann klar, dass es sich in höchster (See-) Not befand, und das Wasser (aus drei leergetrunkenen Teeflaschen) buchstäblich bis zum Hals stehen hatte. Die Allerärmste.

Papa und Mama vergnügen sich zum Abschluss des gelungenen Tages dann noch bis Mitternacht damit, Speisereste aus Auto, Kindersitz & Co zu kratzen, vor der (kaputten) Waschmaschine zu sinnieren (Kommentar des zufällig vorbeischauenden Nachbarn: „Ist euer Fernseher kaputt?“) und viele weitere lustige Tagestouren zu planen. Und wenn sie nicht geschieden sind, dann putzen sie noch heute…