Donnerstag, 23. April 2015

An Tagen wie diesem

An Tagen wie diesem wünschte ich mir eine Armee aus Leih-Omas, die nichts lieber täten, als mir die (B)Engelchen mal für ein oder zwei Stunden abzunehmen.  Da wünschte ich mir Nerven aus Dental-Floss, so dick und stabil. Und wie sehr wünschte ich mir, dass alle meine Sinne auf Kurzarbeit wären, damit sie nicht so viel ertragen müssten.

An Tagen wie diesen, verlassen die kleinen verschnupften Lieblingsmonster ihr kuscheliges Nest bereits um 4.30 Uhr mit der „Begründung“, dass man ja beim besten Willen nicht schlafen kann, wenn das Kinderzimmer nach Dönerbude duftet. (zur Erklärung: Gehackte Zwiebeln sollen die Schleimhäute abschwellen lassen)

Also  wird der Notruf übers Babyphone abgesetzt und die Mama-Spedition kommt im Dunkeln in die Dönerbude gestolpert, schnappt Mäusezähnchen 1 („Puhhh, wie das duftet“) und liefert das pikante „Schmankerl“ beim selig schlummernden Papa ab.

Nachdem die Beschwerde-Hotline immer noch rot blinkt, sodann ein zweiter Gang – die Mama kriegt heut auch noch einen Übernachtungsgast, der nach Schweinsbraten riecht. (Die Mama mag keinen Schweinsbraten und keinen Döner und Übernachtungsgäste mag sie nur, wenn diese wirklich tief und fest schlafen.)

Leider hat die Mama  im Baby-Lotto heute den Hauptpreis gezogen und das „ausgeschlafene“ Kind erwischt. Bedeutet noch knapp 3h Wellness für mich.
(Die Mäusezähnchen MZ 1 & 2 sind nämlich Experten in Gesichtsbehandlung, Ganzkörpermassage und Hair Styling.)

Ich liebe es, wenn mir im Halbschlaf (wenn ich vor Müdigkeit so bleiern bin, dass ich mich nicht rühren, geschweige denn wehren kann) die Haare gezupft werden bis ich vereinzelt kahle Stellen habe, in der Nase oder am Zahnfleisch gekratzt (jawohl gekratzt, Zahnstein-Behandlung) wird bis mir die Tränen kommen, mit Tritten zwischen die Rippen sämtliche Akkupressur-Punkte stimuliert werden und nebenbei noch in einer Tour über die schlechten Arbeitsbedingungen abgelästert wird.

An Tagen wie diesem starte ich also frisch erholt und bestens gelaunt in den Tag, an dem ich mein Mutterherz ganze 12 h lang exklusiv an den Sonnenscheinchen wärmen darf.

Als Erstes stimmt was mit der Frühstücks-Schüssel nicht. Oder ist es der Inhalt, der MZ 2 nicht genehm ist? Jedenfalls wird das Teil einer solchen Wut und Wucht auf den Boden geschleudert –Mama schafft es in letzter Sekunde noch hinter der Küchentür in Deckung zu gehen - dass das dickwandige Melamin-Kindergeschirr (seit drei Tagen in Gebrauch, Garantie 3 Jahre?) zerspringt.

Ich möchte betonen, dass es nicht eines der zahlreichen Exemplare von „Rudis Resterampe“ war (die wir ebenfalls besitzen), sondern ein überteuertes Markenqualitäts-Produkt. Geschenk zur Geburt. Doppelt also. Doppelt gewesen zumindest. (Was man überhaupt  alles so zur Geburt bekommt! Lego, Leggins, Geschirr, Wein, Postkarten,… ) Sprung in der Schüssel. Reif für die Tonne.
(So wie die Mama also, ich muss über den Analogismus schmunzeln - soviel Humor ist noch übrig. Noch.)

Als nächstes strömt ein nie dagewesener grausamer Geruch in meine Nase. Das ganze Wohnzimmer riecht so, wie ich es mir olfaktorisch gesehen (bzw. gerochen) in den lustigen grünen Mülleimern mit den roten Beutelchen an den Hundewiesen vorstelle. Es haut mich fast um. Ehrlich. Ich schnappe mir MZ 1 und halte mir das Pampers-Paket zum Geruchstest vors Gesicht. Hm, naja – lieber mal wickeln gehen.

Das Ergebnis ist enttäuschend mickrig und als ich mit MZ 1 unterm Arm ins Wohnzimmer zurückkehre, wabert die Luft schon wie in der Wüste. So stelle ich mir eine Fata Morgana  vor und es ist nicht gänzlich auszuschließen, dass ich demnächst beginne, zu halluzinieren. Also wird MZ 2 mit den Fingerspitzen (möglichst wenig Körperkontakt) auf den Wickeltisch verfrachtet.

Heilige Mutter Gottes. Ich kündige! So etwas hab ich in den ganzen 14 Monaten nicht gesehen. Wozu trägt das Kind überhaupt eine Windel? Und wie soll ich es um alles in der Welt ausziehen ohne die Sache noch viel schlimmer zu machen? Und warum um Himmelswillen ist da ein ganzes Paket Rosinen (unzerkaut und unverdaut) beigemischt?

Beim Versuch, das arme Kind zu entkleiden, ohne die nähere Umgebung und mich selbst allzu schlimm zu kontaminieren scheitere ich kläglich. MZ 1 ist mittlerweile auch am Start um zu sehen, was  es hier zu fluchen gibt und gibt seinen übellaunigen Senf dazu, weil es nicht einsieht, warum es nicht mitsamt MZ 2, dessen gesamter verseuchter Kleidung, der Wickelauflage und der halben Mama mit in die Wanne darf.

MZ 2 hingegen hätte gerne verzichtet und verkündet das lautstark während ich versuche, das „Gröbste“ abzubrausen. Himmel hilf! Es stinkt so furchtbar und zu allem Überfluss macht sich MZ 1 jetzt ans Verwischen der übelriechenden Spuren. Ich dreh durch. Ich dreh einfach durch. Es ist noch nicht mal 10.00 Uhr morgens, kein Knoppers in Sicht und ich kann bereits nicht mehr. Ich bin noch im Schlafanzug, will mich endlich waschen, meinen Kaffee, mal ein Minütchen hinsetzen/-legen. Keine Chance. Wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was.“ Wir sind hier bei „So isses!“ Friss oder stirb. Just deal with it.

Nun fliegt das bereitgelegte Badetuch in die Brühe in der Wanne. Bravo.
MZ 1 hat mir also noch nicht verziehen. Die Nasendusche, eine Packung feuchtes Toilettenpapier und ein paar Slip Einlagen hinterher. Man gönnt sich ja sonst nichts…

Ja, ihr werdet fragen, was MZ 1 überhaupt im Bad zu suchen hat? Sie könnte doch brav in ihrem Zimmer/in der Küche/im Wohnzimmer/auf dem Balkon spielen? Ja. Könnte. Wäre. Würde. Hätte. Hätte, hätte – Fahrradkette. Sie ist ja nicht doof. Sie hat mitbekommen, dass hier was los ist und will ihrer Schwester seelischen und handfesten Beistand leisten.

Müsste sie vor der Türe warten, würde sie diese mit dem Kopf (im Ernst!) einschlagen und das Haus dermaßen zusammenbrüllen, dass ich in Nullkommanix  die Polizei vor der Tür stehen hätte. Und – ihr erinnert euch – ich bin im Nachthemd und überhaupt momentan recht wenig ansehnlich (freundlich formuliert). Apropos – mal wieder ein Paket verpasst – just in dem Moment!!! Der Postbote klingelt ungeduldig drei (!) Mal und ich beide Hände in der Sch**** und verschwitzt und total am Ende und im Nachthemd.

Da wird sich mein Mann abends wieder freuen. Warum ich denn nicht mal seine Post (ihr wisst, was drin ist – erinnert ihr euch?) annehmen kann, wenn ich doch zu Hause bin. Tja, Pech gehabt. Kann´s nicht ändern. Können ja mal tauschen. Dann bestell ich bergeweise Schrott (das kann ich gut, hab nur selten das nötige Kleingeld dafür auf der Seite), lass ihn mit den beiden wundervollen Zuckerpuppen den ganzen Tag allein und geh´ auf die Barrikaden, wenn er auch nur ein einziges formschönes Küchengerät aus „die moderne Hausfrau“ oder die ultimativen Diät-Wunderpillen aus dem Teleshopping und die Gucci-Tasche aus China für mich verpasst. Dann sieht er mal! So.

MZ 2 ist soweit fertig und kann herausgefischt werden. MZ 1 hab ich immer wieder gerade noch zurückhalten können, sie hatte tatsächlich mit samt Kleidung einen Kopfsprung ins zweifelhafte trübe Wasser geplant. Die Irre. (Das meine ich liebevoll, das wisst ihr sicher…)

Ich rubble also das arme frierende Mäuschen trocken, während die große Schwester (ihr erinnert euch – immerhin eine Minute älter und bereits 1,5 cm größer) zum dritten Mal die komplette Klopapierrolle abwickelt. Immerhin drehen jetzt schon zwei hier am Rad. Ich werde echt gleich so stinkig hier! Ja, ich kann das auch. Nur hat man danach nicht 2 Waschmaschinen zu versorgen.

Während ich mit einölen und wickeln der kleinen Schwester zugange bin, werde ich – mal wieder – von MZ 1 „gestylt“- Gekämmt. Mit einem (meinem) massiven Plastikkamm. Und zwar so zärtlich (dummerweise trage ich die Haare immer noch zu meinem „Nacht-Zopf“, nein – NICHT Nachttopf – geflochten), dass ORIGINAL der dickste der Zinken dabei abbricht. Ohne Spaß. Mir bleibt echt nichts erspart.
Der Tag läuft dann ungefähr so weiter wie gehabt. Während ich mich mit der Dreckwäsche im Waschraum verlustiere, wird im Flur inzwischen „umgetopft“. Als ich die Wäsche zum Trocknen bringen will, wird damit das gesamte Treppenhaus feucht aufgenommen.

Beim Mittagessen geht ein Spätzle-Regen auf mich nieder – „Na, schmeckt´s euch?“. Und als ich mich daran mache, die Teigwaren wieder vom Boden unter den Hochstühlchen aufzusammeln, bekomme ich erst eine fast volle Wasserflasche auf den Kopf (so viele Sternchen am helllichten Tage – wie schön) und dann ordentlich Haue mit dem Schneebesen und viel Gelächter von beiden Seiten.
 
Am Spielplatz dann wird uns unser Sandspielzeug von einem Haufen süßer und aufgeweckter kleiner Fratzen (die wohl wissen, dass ich nicht hinterher kann) in alle Himmelsrichtungen getragen und dadurch wieder deutlich reduziert (Gut, dass der Papa so gerne in China einkauft) und am Rückweg lasse ich mich von der mittlerweile total übermüdeten Mäusepolizei durch Wut-Kreischen erpressen.

Ich hasse das, wenn ich meinen wenigen Erziehungs-Grundsätzen nicht treu bleiben kann. Aber ich hab heute echt keine Nerven mehr. „Ich tue ALLES, damit ihr nur mit diesem hohen, fiesen, aggressiven Gekreische aufhört.“ Es ist kein Weinen, es ist kein Motzen. Es ist Folter. Alle Leute im Umkreis von 10 km starren einen dann an, als wenn man kleine Kinder fressen würde.
Kennt ihr das? Die beiden wissen, dass sie mich so kriegen.

So dürfen die besten Kinder der Welt den Weg vom Park bis nach Hause mit Kinderbüchern, den verbliebenen Sandförmchen, Keksen, Brezen und Teeflaschen pflastern, die Schuhe und Socken wahlweise an- und ausziehen (und im Minutentakt wieder an- und ausziehen) und Platz im Kinderwagen tauschen so oft sie wollen. Ich hasse mich dafür.

An Tagen wie diesem wünschte ich, ich wäre die Super-Nanny.
Auch wenn ich die nicht leiden kann.

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